»Es herrschte viel Unsicherheit«
Verschobenes Staatsexamen, keine Vorlesungen, Unklarheit: Die Coronakrise wirkt sich auch auf den Lernalltag vieler Medizinstudierenden aus. Wir haben mit Studentin Kerstin Müller über die Probleme gesprochen, die sich für sie und ihre Kommilitonen durch COVID-19 ergeben.
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Kerstin, wie nimmst du die Situation momentan wahr?
Meine Lage ist ein wenig anders, als bei den meisten Studierenden. Ich habe letztes Jahr im April mein zweites Staatsexamen geschrieben, im Juni dann meinen Sohn bekommen. Seitdem bin ich in Elternzeit. Geplant war eigentlich, dass ich jetzt im Mai ins Praktische Jahr (PJ) gehen kann. Bis dahin hatte ich auch eigentlich einen Platz – nur ist während der Notversorgung keine Eingewöhnung möglich. Jetzt habe ich für August einen Kita-Platz bekommen, hoffentlich ist bis dahin wieder Normalität eingekehrt. Dann kann ich meinen Sohn eingewöhnen, und ins PJ starten.
Und was beobachtest du bei deinen Kommilitonen?
Die meisten Freunde aus meiner Kohorte sind jetzt eigentlich mit dem PJ durch – viele wussten aber nicht, wann, wo und ob sie überhaupt danach für das M3 geprüft werden. Da herrschten einfach sehr, sehr viele Unsicherheiten darüber, wie es weitergeht. Vor demselben Problem standen auch Studierende, die ihr schriftliches Examen schreiben sollten. Bei mir in Berlin wurde es den Studierenden freigestellt kurzfristig zu entscheiden, ob sie ihr reguläres M2 jetzt schreiben, oder vorzeitig ins PJ starten und dann im nächsten Jahr ein Hammerexamen schreiben. In Bayern und Baden-Württemberg wurde das M2 zur Gänze abgesagt.
Denkst du denn, dass das PJ aufgrund der Coronakrise dafür umso lernintensiver wird?
Das ist schwer zu sagen. Ich weiß nur, dass sich viele aus meinem Umfeld Sorgen um den Ablauf ihres PJs machen. Im schlimmsten Fall kann es sein, dass man ein Jahr lang Rachenabstriche macht, Fieber misst und so gut wie keine Lehre stattfindet. Das wird spätestens dann besonders spannend, wenn für das Staatsexamen gelernt werden muss und man gar nicht wirklich weiß, was dann geprüft werden soll.
Wie sieht das denn bei jüngeren Semestern aus. Geht das Studium da normal weiter?
Nein. Ich habe von verschiedenen Fachschaften deutschlandweit gelesen, dass sie ein verspätetes Semester beginnen – Ende April, Mai, das steht und fällt ja mit dem, wie sich Corona entwickeln wird. Die meisten Studierenden hoffen aber, dass sich das Studium durch die fehlende Vor-Ort-Präsenz nicht verlängern wird. Das Studium ist ja schon lang genug. Das Problem ist aber, dass das Medizinstudium halt sehr praktisch veranlagt ist. Wie will man Biochemie und Physik verstehen, wenn man dazu nicht die Laborversuche machen kann? Wie will man Anatomie richtig verstehen, wenn man nicht an die Leiche kann? Ich weiß nicht, wie das werden wird.
Fühlst du dich denn in der Krise gut über deinen Studienverlauf informiert?
Eher nicht. Wir werden über Vieles nicht informiert und müssen größtenteils selber schauen, wo wir unsere Informationen herbekommen. Und genau das regt viele auf: Von der Verschiebung des Staatsexamens haben die meisten zum Beispiel nur über die Zeitung erfahren. Das ist natürlich besonders ärgerlich. Viele lernen schon seit Wochen, fast rund um die Uhr – und der Lehrplan ist ja auch kein Zuckerschlecken.
Wie blickst du in die Zukunft?
Ich bin noch sehr optimistisch gestimmt – ich habe ja das Glück, dass ich mein schriftliches Staatsexamen schon hinter mir habe. Aber ich bemerke natürlich auch die Frustration, die meine Kommilitonen gerade haben. Wir wissen teilweise einfach nicht, wie es weitergeht.
Wir haben wichtige Links zum Coronavirus auf einer Seite zusammengestellt. Wo du während der Pandemie stets aktuelle und zuverlässige Informationen erhältst oder welche Optionen Medizinstudierende zum Helfen haben, liest du hier.