So gestaltest du deine Praxis nachhaltig
Umweltschutz ist wichtig, und auch mit deiner Praxis kannst du einen kleinen Teil dazu beitragen, den Planeten zu entlasten. Leider stellen sich dir als Ärztin oder Arzt dabei ein paar Hürden in den Weg. Wir erklären dir, was du bei der Umsetzung einer nachhaltigen Praxis beachten musst.
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Mehr als 400 Millionen Tonnen Müll produzieren wir mittlerweile jährlich in Deutschland, unser Klima droht sich enorm zu erhitzen und auch Erkrankungen, Zoonosen oder Pandemien haben durch veränderte Umweltbedingungen leichteres Spiel in unseren Breitengraden. Als Inhaberin oder Inhaber einer eigenen Praxis kannst du einen Teil dazu beitragen, deine Umwelt vor diesen Auswirkungen zu schützen. Jedoch: Im Gegensatz zu anderen Unternehmen oder Selbstständigen musst du ein paar mehr Hürden nehmen, um ein nachhaltiges Arbeitsumfeld aufzubauen. Schließlich arbeitest du mit erkrankten Menschen und scharfen Instrumenten, sodass dir besonders in Sachen Einwegprodukten und Entsorgung häufig die Hände gebunden sind. Hier gilt: Gesundheit vor Umwelt.
Genaue Regelungen zum Umgang mit Medizinprodukten findest du unter anderem im Medizinproduktegesetz, im Infektionsschutzgesetz oder der Hygieneverordnung deines Bundeslandes. Eine Menge Holz, mit dem du aber nicht alleine dastehst. Unterstützung findest du zum Beispiel bei den Hygieneberaterinnen und Hygieneberatern deiner Kassenärztlichen Vereinigung (KV). Dort stehen dir persönliche Ansprechpartner zur Seite. Alles Wichtige rund um Hygiene in der Praxis findest du auf den Seiten des Kompetenzzentrums Hygiene und Medizinprodukte der KVen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Außerdem kann dir die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems im Praxisalltag helfen, die Anforderungen – nicht nur im Kontext Hygiene und Infektionsschutz – zu erfüllen. Das QEP – Qualität und Entwicklung in Praxen – beispielsweise ist das Qualitätsmanagement-Verfahren der KVen und der KBV, das speziell für die Bedürfnisse von vertragsärztlichen Praxen und medizinischen Versorgungszentren konzipiert ist.
Hast du die gesetzlichen Grundlagen im Blick, kannst du dich um die nachhaltige Gestaltung und Umweltschutz in deiner Praxis kümmern. Denn: Als Inhaberin oder Inhaber deiner eigenen Praxis liegt trotz strengen Richtlinien vieles in deiner Hand.
Medizinmüll vermeiden: nur unter strengen Auflagen möglich
Auch wenn durch die Verwendung von Einmalprodukten wie Pinzetten oder Scheren viel Müll entsteht – die Wiederverwendung von medizinischen Einmalinstrumenten kann nicht nur für deine Patientinnen und Patienten, sondern auch für dich gefährlich sein. »Bei Einwegprodukten wird beim einmaligen individuellen Gebrauch die Sterilität vom Hersteller garantiert«, erklärt Katja Heinze vom Dezernat Versorgungsqualität der KBV. »Aus haftungsrechtlichen Gründen ist deshalb dringend von der Wiederaufbereitung von Einmalprodukten in der Praxis abzuraten.«
Anders sieht die Lage wiederum bei medizinischen Produkten aus, die für eine mehrfache Anwendung konzipiert sind. Diese kannst du nach der Nutzung reinigen, desinfizieren und sterilisieren und danach wiederverwenden, ohne dich und deine Patientinnen und Patienten in Gefahr zu bringen. Jedoch: Entscheidest du dich für diesen Weg, gibt es einiges zu beachten. »Medizinprodukte, welche weiterverwendet und im Praxisalltag nach erfolgter Aufbereitung wieder eingesetzt werden dürfen, unterliegen besonderen Anforderungen der Aufbereitung«, erklärt Claudia Lupo vom Kompetenzzentrum Hygiene und Medizinprodukte. »Nicht alle Praxen besitzen dafür die entsprechenden Voraussetzungen.« Willst du medizinische Instrumente in deiner Praxis aufbereiten, musst du passendes Zubehör anschaffen, Reinigungs- und Desinfektionsgeräte, Siegel- oder auch Sterilisationsgeräte. Diese müssen dann regelmäßig gewartet, instand gehalten und geprüft werden. Zusätzlich benötigen du oder deine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter spezielle Kenntnisse, um die wiederverwendbaren Instrumente sicher aufzubereiten. Hast du die richtigen Grundlagen geschaffen, musst du den gesamten Aufbereitungsprozess schriftlich festhalten. Dazu gehören:
- Vorbereitung der verwendeten Instrumente,
- Reinigung, Desinfektion und Trocknung,
- Kontrolle, Pflege und Funktionsprüfung,
- Verpackung, Kennzeichnung und Sterilisation,
- Freigabe und anschließende Lagerung.
Ist das Wiederaufbereiten von Instrumenten in deiner Praxis keine Option für dich, kannst du auch Unternehmen damit beauftragen. So fällt viel Arbeit für dich und deine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weg, jedoch solltest du dich in dem Fall auch absichern: »Wichtig ist, dass der Umfang der Aufbereitung, die Abläufe, aber auch die Logistik vertraglich festgelegt sind, um ein etwaiges Haftungsrisiko im Schadensfall zu begrenzen.« Die wichtigsten Eckpunkte zur externen Aufbereitung von Medizinprodukten hat das Kompetenzzentrum Hygiene und Medizinprodukte als Orientierungshilfe hier zusammengestellt.
Um Vor- und Nachteile der Aufbereitung in deiner Praxis abzuwägen, hat das Kompetenzzentrum Hygiene und Medizinprodukte ein Excel-Tool entwickelt, mit dem du die Kosten ermitteln kannst, die in diesem Prozess auf dich zukommen. Das Tool kannst du über die Hygieneberaterinnen und Hygieneberater deiner Kassenärztlichen Vereinigung anfordern.
Einwegprodukte richtig entsorgen
Auch wenn du dich für eine Wiederaufbereitung der Instrumente entscheidest und somit eine Menge Müll vermeidest, wird in deiner Praxis dennoch einiges an medizinischem Abfall entstehen. Kanülen und Spritzen zum Beispiel können nicht sicher aufbereitet werden, daher sind im Sinne der Patientensicherheit die Materialien ausschließlich einmalig einsetzbar. Da der Praxismüll aber im Gegensatz zum normalen Hausrat mit Krankheitserregern belastet sein oder spitze Gegenstände wie Kanülen enthalten kann, musst du bei der Entsorgung einige Regeln beachten. »Wichtig ist, dass gewährleistet wird, dass der Abfall aus der Praxis sicher und ordnungsgemäß entsorgt wird, eine Krankheitsübertragung und eine Belastung der Umwelt vermieden werden«, so Katja Heinze. »Konkret heißt das für die Praxisleitung, für den anfallenden Abfall Entsorgungslösungen zu schaffen, die sowohl dem Arbeitsschutz als auch dem Abfallrecht gerecht werden. Oberstes Ziel muss immer die Infektions- und Verletzungsprävention sein.« Als Grundlage für die Entsorgung deines Praxismülls gilt die »Vollzugshilfe zur Entsorgung von Abfällen aus Einrichtungen des Gesundheitsdienstes« der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA), die unter anderem die Sammlung, Lagerung oder auch die Verwertung der medizinischen Gegenstände genau regelt. »Ob eine Entsorgung über den Hausmüll möglich ist, hängt von regionalen Gegebenheiten ab«, ergänzt Claudia Lupo. »Informationen dazu können über die örtlich zuständige Abfallbehörde bezogen werden.«
Das sind wichtige Punkte, die du bei der Entsorgung von medizinischem Müll beachten musst:
- Gebrauchte Kanülen dürfen nicht in die Schutzkappe zurückgesteckt werden.
- Spitze oder scharfe Instrumente einschließlich solcher mit Sicherheitsmechanismus müssen in stich- und bruchfesten Behältern gesammelt werden, die eindeutig als Abwurfbehälter gekennzeichnet sind. Die Behälter sind so gebaut, dass sie ohne Werkzeug nicht wieder zu öffnen sind.
- Sonstiger Abfall aus Behandlungs- und Untersuchungsräumen wird in feuchtigkeitsbeständigen und dichten Behältnissen, zum Beispiel einem widerstandsfähigen Müllsack, gesammelt, die vor dem Transport verschlossen sind.
Auch wenn die Entsorgung von medizinischem Abfall kompliziert erscheinen kann, hat sie doch einen Vorteil: Durch die genaue Regelung weißt du haargenau, wie dein Praxismüll entsorgt werden muss. So fällt er, wo möglich, nicht der Umwelt zur Last und wird im besten Fall sogar recycelt. Dasselbe Ziel solltest du dir übrigens bei allem anderen Müll deiner Praxis setzen. Auch hier verstecken sich in Verpackungen und Papierabfall noch viele Wertstoffe, die wiederverwendet werden können. Achte auch hier auf eine richtige Entsorgung – die Vorgaben dafür findest du bei deinem örtlichen Entsorger.
Praxisgestaltung: Hier kannst du beim Umweltschutz punkten
In Sachen Medizinprodukte geht ganz klar die Sicherheit deiner Patientinnen und Patienten und natürlich auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor. Aber in deiner eigenen Praxis hast du weit mehr Spielraum, dich für die Umwelt einzusetzen und Verschwendung vorzubeugen. Hast du zum Beispiel gerade die Räumlichkeiten eines Kollegen oder einer Kollegin übernommen oder gründest du deine eigene Praxis, kannst du diese nachhaltig renovieren und einrichten. Wie das geht? Setze auf chemie- und lösungsmittelfreie Farben und Bodenbeläge, auch bei der Praxiseinrichtung kannst du auf nachhaltig produzierte Möbel setzen. Helfen können dir dabei spezialisierte Handwerkerinnen und Handwerker. Habe dabei nur im Blick, dass alle Gegebenheiten für ein hygienegerechtes Arbeiten vorhanden sind. Oberflächen in deiner Praxis, also Fußböden, Arbeits- und Ablageflächen, aber besonders Handkontaktstellen oder Wandflächen im Spritzbereich, sollten leicht zu reinigen und desinfektionsmittelbeständig sein. Außerdem sollten ausreichend Waschbecken sowie Lager- und Entsorgungsflächen in deiner Praxis sein.
Im Arbeitsalltag kannst du einen besonderen Fokus darauf legen, Ressourcen zu sparen. Schiebe zum Beispiel einen Riegel vor unnötigen Papierverbrauch in deiner Praxis: Verzichte darauf, alle Befunde deiner Patientinnen und Patienten auszudrucken, und analysiere EKG, Blutwerte oder Diagnosen von Kolleginnen und Kollegen am Monitor. Gleiches gilt auch für das Archiv deiner Behandlungsunterlagen. Verzichte auch hier auf die gedruckte Variante und speichere deine Dokumente, wo möglich, elektronisch. So sparst du gleichzeitig eine Menge Platz in deiner Praxis. Ein weiterer Papierspartipp: Melde dich von unerwünschten Werbesendungen, zum Beispiel von Pharmaunternehmen oder Medizinprodukteherstellern, ab.
Aber nicht nur durch den bewussten Umgang mit Ressourcen gestaltest du deine Praxis klima- und umweltfreundlich. Achte beim Kauf von Produkten gezielt darauf, dass diese mehrfach verwendbar, langlebig und im besten Fall nachhaltig hergestellt sind. Verzichte zum Beispiel auf Einwegbatterien und nutze stattdessen wiederaufladbare Akkus, um deine Geräte zu betreiben. Und beim Einkauf für die Waschräume und die Teeküche kannst du Groß- und Nachfüllpackungen den Vorzug geben. So sparst du vieles an Verpackungsmüll und genießt gleichzeitig einen positiven Nebeneffekt. Durch das Sparen von Ressourcen kannst du auch automatisch laufende Kosten in deiner Praxis reduzieren und das Geld zum Beispiel in langlebigere oder qualitativ hochwertige Produkte investieren.
Energie sparen
Ein weiterer Klimakiller, den du aus deiner Praxis verbannen kannst, ist Strom aus fossilen Energien. Setze hier lieber auf Strom aus regenerativen Quellen wie Wasser, Wind oder Solar. Doch selbst wenn du deinen Strom bereits aus erneuerbaren Energien beziehst, achte darauf, nicht allzu viel davon zu verbrauchen. Auch hier stehen dir in deiner Praxis verschiedene Möglichkeiten offen. Baust du deine Niederlassung zum Beispiel komplett neu auf, kannst du auf eine gute Wärmedämmung bei Wänden, Türen und Fenstern achten. Richtest du dich neu ein, kannst du energieeffiziente medizinische Geräte anschaffen. Und besuchst du Patientinnen und Patienten zu Hause, kannst du auf ein E-Auto statt auf einen Benzin- oder Dieselantrieb setzen. Selbst kleine Änderungen, wie der Austausch von konventionellen Lampen mit LED-Mitteln, bringen viel. Hole am besten auch deine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ins Boot. So können sie auch mit dabei helfen, Energie einzusparen, Geräte nicht unnötig laufen lassen und Heizenergie im Winter einsparen – zum Beispiel durch gezieltes Stoßlüften statt Fenstern auf Dauerkipp.
Du siehst: Willst du deine Praxis nachhaltig gestalten, musst du zwar viele Dinge, besonders im Bereich Hygiene und Qualitätssicherung, beachten. Du stehst jedoch nicht alleine da und kannst Expertinnen und Experten um Rat fragen. Komplett frei bist du bei allen anderen Aspekten deiner Praxis: von der Einrichtung bis zum Energieverbrauch. Hier kannst du ganz allein entscheiden, was dein Beitrag für den Klimaschutz ist. Und vielleicht übst du damit sogar einen positiven Einfluss auf deine Mitmenschen und Patientinnen und Patienten aus.