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Medizinische Fachberatung im Film

»Kunstblut wirkt echt, klebt aber viel mehr«

Du hast beim Schauen von medizinischen TV-Serien oder Krankenhausszenen schon oft mit den Augen gerollt? Es geht auch anders: Medizinstudentin Annika Tuschek sorgt dafür, dass alle Darstellungen so realistisch wie möglich sind. Das sind ihre Erfahrungen.

Die Medizinstudentin Annika mit einer künstlichen Hand am Set einer Krankenhausserie.
Gib mir deine Hand: In ihrem Nebenjob beim Film hantiert die angehende Chirurgin Annika unter anderem mit künstlichen Körperteilen. ©privat

Lesedauer: 4 Minuten

Annika, was kann man sich unter medizinischer Beratung bei Filmen und Serien vorstellen? Überprüfst du Drehbücher auf ihre inhaltliche Korrektheit oder siehst du am Set nach dem Rechten?

Sowohl als auch! Ich mache das als Nebenjob in den Semesterferien, in Leipzig, Halle und Erfurt. In der Vorbereitung lese ich erst mal das Drehbuch, dann tausche ich mich mit dem Regisseur aus. Dieses Gespräch dauert schon gerne mal so vier bis fünf Stunden. Aber im Anschluss bin ich dann auch am Set, richte zum Beispiel den OP ein, leite die Schauspielärzte an und kümmere mich um die medizinischen Geräte.

Wenn du dem Regisseur Feedback gibst – kommt es auch mal vor, dass er aufgrund deiner Beratung alles umändern muss?

Ja, oder dass viel umgeschrieben werden muss. Meistens sind meine Änderungen und Anmerkungen aber sehr willkommen. Auf medizinische Richtigkeit wird prinzipiell viel Wert gelegt. Dennoch muss immer ein Kompromiss gefunden werden. Die Optik und Umsetzbarkeit stehen an erster Stelle vor der medizinischen Korrektheit.

Bei welcher Produktion machst du denn besonders gerne mit?

Ganz klar bei »In aller Freundschaft – die jungen Ärzte« in Erfurt. Das Team ist wahnsinnig herzlich und sehr cool und frisch. Die Ideen für die Fälle sind abwechslungsreich und spannend.

Wie bist du denn auf diesen Nebenjob gekommen?

Ich war selbst mal Komparsin bei einer Produktion –darauf bin ich über einen Aushang hier an der Uniklinik in Halle aufmerksam geworden. Das war auch eine medizinische Produktion. Ich habe mich dann mit der medizinischen Beratung unterhalten, durfte sie einen Tag sogar vertreten und fand das superspannend. So bin ich zum Probearbeiten nach Leipzig eingeladen worden und es hat mir sehr gut gefallen.

Wirst du als Allrounderin eingesetzt oder spezifisch für chirurgische Fachfragen?

Chirurgische Kenntnisse sind schon oft gefragt. In Arztserien gibt es schließlich immer viele Knochenbrüche und Unfälle. Aber ich bin in dem Team die einzige Medizinerin und somit auch Allrounderin.

Gibt es auch Szenen, die dein Wissen übersteigen?

Ja, klar. Neulich gab es mal eine Szene mit einerneurochirurgischen Operation, wo der Kopf in eine Art Klemme eingespannt wird. Damit kenne ich mich überhaupt nicht aus. Da habe ich einen Freund angerufen, der Neurochirurg werden möchte und sich damit auskennt.

Hattest du beim Drehen mal eine besonders kuriose Situation?

Letztes Jahr ist eine Kollegin aus dem Team tatsächlich am Set erkrankt. Ich habe eine Verdachtsdiagnose gestellt und sie gleich zum Arzt geschickt. Da hat sich die Realität sehr mit der Filmfiktion vermischt.

Wirken diese Serien denn heute noch realistisch auf dich?

Der Einsatz von Kunstblut zum Beispiel.Größtenteils ist das schon recht realistisch. Und beim Kunstblut weiß man ja zum Glück, dass es nicht echt ist. Was die Zuschauer aber nicht wissen: Kunstblut wirkt echt, klebt aber viel mehr. Echtes Blut lässt sich relativ gut wieder entfernen, aber Besteck von Kunstblut zu befreien ist wirklich ein Akt.

Achtest du mehr auf Fehler von medizinischen Darstellungen in Serien und Filmen, seit du deinen Nebenjob hast?

Ja, nicht nur auf die medizinischen Fehler. Vor allem auf Mikrofone im Bild, falsche Synchronisierung, Ausleuchtung und so weiter.

Gibt es denn einen medizinischen Fehler, der in wirklich vielen Produktionen vorkommt?

Auf jeden Fall: Schocken bei Nulllinie! Das ist wirklich der Klassiker – sobald du eine Nulllinie im EKG auf dem Monitor siehst, kannst du davon ausgehen, dass jemand auf die Idee kommt zu schocken. Aber wenn das Herz gänzlich stillsteht, bringt das natürlich nichts. Dann muss eine Herzdruckmassage durchgeführt und es müssen Medikamente verabreicht werden.

Schaust du diese Serien denn selbst noch?

Mittlerweile kaum noch. Früher habe ich gerne »Grey’s Anatomy« geschaut, aber da ich meistens schon recht viel Zeit im Krankenhaus verbringe, schaue ich abends nicht auch noch Krankenhausserien.Von »Grey’s Anatomy« über »Dr. House« bis zu deutschen Produktionen wie »In aller Freundschaft« begegnen einem ja viele Serienärztinnen und -ärzte.

Welche Darstellung findest du denn besonders unrealistisch oder authentisch?

Auf RTL gibt es eine Serie mit nachgestellten Fällen aus einer Notaufnahme. Ich weiß gar nicht, ob das ernst gemeint ist. Das ist wirklich totaler Blödsinn, was die da erzählen. Besonders realistisch finde ich tatsächlich die Rolle des »Bergdoktors« – also wie er dargestellt wird und wie er seine Patienten behandelt. Ich würde ihm das abkaufen. Dass er Hausarzt, Chirurg, Notarzt und Therapeut in einem ist, sprengt allerdings etwas den Rahmen.

 

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