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Prüfungszeit

Wie prokrastiniert ihr denn so?

Putzen? Sport? Oder einfach mal etwas Schönes backen? Die Flucht vor dem Schreibtisch hat viele Gesichter. Gerade in Prüfungsphasen werden manche richtig kreativ, wenn es darum geht, sich vor den Büchern zu drücken. Wir haben uns mal angehört, was Medizinstudierende so treiben, wenn sie eigentlich lernen müssten.

Ein junger Mann räumt seine Spülmaschine ein.
Saubere Sache? In Prüfungsphasen ist die Wohnung meist so ordentlich wie nie. @RyanJLane

Lesedauer: 5 Minuten

Was man heute kann besorgen, das verschiebt man gern auf morgen – lautet so nicht die alte Weisheit? Wie auch immer. Fest steht: Seinen Tagespflichten nachzukommen, ist manchmal gar nicht so leicht. Auch wenn wir morgens noch mit den besten Vorsätzen aufwachen, können sich ein paar Stunden später schon die ersten Aufweicherscheinungen zeigen. Muss ich nicht ganz dringend mal wieder die Wäsche machen? Sport habe ich ja total vernachlässigt in der letzten Zeit. Und, ach ja, meine Mutter habe ich eigentlich auch schon viel zu lange nicht mehr angerufen. Selbst die letzte Ecke des Badezimmers zu putzen, erscheint plötzlich so attraktiv wie nie.

In bester Gesellschaft

Die gute Nachricht: Du bist damit in bester Gesellschaft. Acht von zehn Deutschen drücken sich hin und wieder gern vor wichtigen Aufgaben. Das Phänomen ist so weit verbreitet, dass es sogar schon einen eigenen Fachbegriff bekommen hat: Prokrastination. Besonders häufig tritt diese »Aufschieberitis« bei Menschen auf, die viel selbstständig arbeiten – wie Freiberufler oder eben auch Studierende. Den Grund sehen Experten in den großen Freiräumen ohne feste Strukturen und vorgegebene Arbeitszeiten, die in diesen Bereichen herrschen. Sich die Zeit selbst einzuteilen, wird in puncto Pflichtprogramm eben schnell zur Disziplinfalle.

Der eine schläft, die andere backt

Aber wenn man sich bei den Studierenden an der Medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum so umhört, kann man zumindest in leichten Fällen von Aufschieberitis offensichtlich noch erfolgreich die Kurve   kriegen. Michel Maczewski beispielsweise hat trotz extensiven Schlafens und intensiver »Testbild-Erfahrung« sein Physikum gerade mit Bravour bestanden. Genauso wie Lea Veit, die am liebsten in Gesellschaft prokrastiniert. Aber am besten erzählen sie alle ihre Aufschiebe-Geschichten einfach selbst.

  • Michel Maczewski:
    Prokrastinieren? Das kann ich leider ganz gut. Wenn ich eigentlich lernen müsste, schlafe ich gern. Eine Runde vormittags, eine Runde nachmittags und plötzlich ist dann auch schon Abend. Das mit dem Schlafen kann man ja immerhin noch irgendwie produktiv nennen. Schlafen ist ja wenigstens Erholung. Aber oft prokrastiniere ich auch so gar nicht produktiv. Dann sitze ich den ganzen Tag am Schreibtisch, lerne nicht wirklich, mache aber auch nichts anderes, weil ich mir immer sage, dass ich ja lernen muss. Wenn ich dann auf die letzten paar Wochen zurückblicke, komme ich mir vor, wie ein Fernseher, der den ganzen Tag mit Testbild gelaufen ist. Produktiv geht anders. Da kann es ruhig mal vorkommen, dass ich vor den Prüfungen noch eine Nachtschicht einlege. Hat bisher aber trotzdem alles geklappt – mein Physikum habe ich immerhin gerade mit einer Eins vor dem Komma bestanden.
     
  • Lea Veit:
    Ich prokrastiniere am liebsten mit Freunden. Mit meiner Mädelsgruppe beispielsweise, da geht die Mittagspause auch gern mal zwei Stunden. Gerade, wenn eigentlich alle lernen müssten, geht Aufschieben am besten, weil alle mitmachen. Ein Kaffee geht schließlich immer noch. Abends kann ich dann, statt zu lernen, auch stundenlang telefonieren. Oder ich mache Sozialpflege. Dann treffe ich mich mit alten Freunden oder meiner Familie, weil ich die ja viel zu lange nicht gesehen habe. Und wenn ich dann lerne, dann esse ich meistens, Nervennahrung eben. Dann passen einem nach so einer Lernphase gern auch mal die Hosen nicht mehr. Aber jetzt ist alles gut – Physikum bestanden und die Hosen passen auch wieder.
     
  • Nele Hemmert:
    Ich stehe gerade vor dem zweiten Staatsexamen. Und wenn ich dafür zu Hause lerne, ist es besonders schlimm. Dann neige ich dazu, anstatt am Schreibtisch zu sitzen, mir ständig etwas zu Essen zu suchen. Aber was ganz gut ist: Gleichzeitig steigt mein Sportkonsum in Lernzeiten auch meist extensiv nach oben. Beim Unisport nehme ich gerade alles mit: Crossfit, Rückenfit, Langhantel – ich muss sagen, ich bin momentan so fit wie selten.  
     
  • Verena Kuhlmann:
    Ich fange immer an zu putzen, wenn ich lernen muss. Also nur zu Hause, in der Bibliothek Gott sei Dank bisher noch nicht. Und ich spüle auch mal ganz gern oder backe drauflos. Meine WG freut sich, die hat in meinen Lernphasen immer eine echt gute Zeit. Ich lerne gerade für mein zweites Staatsexamen, da sieht es bei uns zu Hause mal wieder so richtig vorbildlich aus.
     
  • Samuel O`Donnell-Spangenberg:
    Bei mir klappt’s mit dem Lernen generell ganz gut. Aber wenn ich prokrastiniere, dann auch ziemlich unproduktiv. Dann erzähle ich mir, wie beschäftigt ich doch bin und dass ich keine Zeit für andere Dinge habe wie Sport beispielsweise oder einen Wohnungsputz. Andere machen dann wenigstens Dinge, die auch einen Effekt haben, aber ich komme an solchen Tagen einfach gar nicht weiter. Ein, zwei Tage vor der Prüfung packt mich dann aber spätestens die Panik. Mut zur Lücke sollte man in unserem Studium aber schon haben, bei all dem Stoff, mit dem wir konfrontiert werden. Und dass ich mein Physikum gepackt habe und in der Regelstudienzeit bin, zeigt ja, dass die Strategie aufgeht.    

Leichte Form oder Leidensdruck?

Du siehst: Aufgeschoben ist nicht gleich aufgehoben, um noch mit einer weiteren guten alten Weisheit um die Ecke zu kommen. Mal ein bisschen vor seinem Schreibtisch zu fliehen, scheint eine beliebte Strategie zu sein, die recht weit verbreitet und damit einfach nur menschlich ist. Doch kann diese leichte Form der Aufschieberitis in manchen Fällen auch zu einer echten psychischen Belastung bis hin zu einer krankhaften Störung werden. In diesen Fällen nimmt das Aufschieben ein solches Ausmaß an, dass die Studierenden massiv darunter leiden und sich selbst einem solchen Druck aussetzen, dass sie mitunter am Ende eben nicht mehr die Kurve kriegen.

Rat und Hilfe

Viele Unis haben das Problem erkannt und bieten Kurse, Hilfsprogramme und Infoveranstaltungen zum Thema Prokrastination an. Eine Vielzahl an Hochschulen nimmt   mittlerweile an der »Langen Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten« teil, in der Studierende unterstützt werden, quälende Langzeitprojekte endlich fertig zu bekommen. Die Uni Münster hat sogar eigens eine Prokrastinationsambulanz ins Leben gerufen. Die Studierenden bekommen dort eine fundierte Diagnose zu ihrem Aufschiebeverhalten und bei Bedarf professionelle Beratungs- und Therapieangebote.

Und wie die Uni Münster im Rahmen einer Querschnittsstudie ermitteln konnte, ist der Bedarf da: Sieben Prozent der Studierenden erreichten Prokrastinationswerte, die noch über dem Durchschnitt derjenigen lagen, die bereits bei der Ambulanz nach einer Behandlung gefragt haben. Es gibt also viele Studierende, bei denen der Leidensdruck so groß ist, dass eine therapeutische Untersuchung hilfreich wäre. Ab welchem Punkt das Aufschieben zum Problem wird und behandelt werden sollte, lässt sich nicht allgemein sagen. Bedenklich wird es auf jeden Fall, wenn es zu spürbaren Beeinträchtigungen in Studium und Privatleben führt.

Du fragst dich, ob dein Aufschieben »noch normal« ist? Dann schau dir doch einfach mal den Selbsttest der Uni Münster an. Er gibt dir eine erste Einschätzung, wo du in Sachen Prokrastination stehst.

 

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