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Ehrenamt und Niederlassung

Engagement nach Praxisschluss

Gutes tun, auch nach den Praxisöffnungszeiten? Dr. Shabnam Fahimi-Weber ist es gelungen. Vor drei Jahren hat die HNO-Ärztin in der Ruhrgebietsstadt Essen den Verein „Sprache verbindet Essen“ ins Leben gerufen. Seitdem engagiert sie sich dort für die sprachliche Integration von Kindern und Jugendlichen. Im Interview erzählt sie, wie gut sich das Ehrenamt und die eigene Praxis vereinen lassen.

Eine Ärztin hilft Grundschulkindern beim Schreiben lernen.
Als niedergelassener Arzt oder niedergelassene Ärztin kannst du dir Freiräume schaffen, um ehrenamtlich aktiv zu sein. ©Fatcamera

Lesedauer: ca. 4 Minuten

Dr. Fahimi-Weber, was machen Sie bei »Sprache verbindet Essen«?
Der Verein ist ein Patenschaftsprojekt, das Jugendliche aus der zehnten bis zwölften Klasse mit einem Grundschulkind mit sprachlichem Förderbedarf zusammenbringt. Einmal wöchentlich treffen sie sich, sprechen und spielen miteinander. Das hilft den Kindern nicht nur dabei, ihr Sprachvermögen zu verbessern, sondern sie lernen auch, dass man als Jugendlicher das Ziel haben kann, Abitur zu machen und zu studieren. So bekommen sie ganz nahe Vorbilder, denn: Aus ihrem eigenen sozialen Umfeld kennen sie solche Lebenswege meist gar nicht. Auch die Abiturienten haben etwas davon, da sie lernen, über den Tellerrand zu schauen.

 

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, den Verein zu gründen?
Während meiner Studienzeit habe ich ein ähnliches Projekt bei einem Arzt in Lüdenscheid kennengelernt – und diese Idee blieb im Kopf. Als ich dann vor drei Jahren Zeit gefunden hatte für ein größeres Projekt, habe ich zusammen mit anderen Ärzten »Sprache verbindet Essen« ins Leben gerufen.

Haben Sie sich schon vorher ehrenamtlich engagiert?
Ja, seit meiner Niederlassung vor 15 Jahren bin ich ehrenamtlich aktiv. Damals war es ein Projekt, was den Stadtteil sauberer machen sollte. Heute engagiere ich mich bei insgesamt vier Projekten, von denen »Sprache verbindet Essen« aber bei weitem das größte ist.

Was sind Ihre Aufgaben bei der Vereinsarbeit?
Ich kümmere mich unter anderem darum, Schüler und Lehrer für das Projekt zu begeistern. Unter anderem spreche ich dafür auch Schulleiter an, die in meinem Patientenstamm sind. Außerdem suche ich weitere ehrenamtliche Mitarbeiter oder Sponsoren, die uns finanziell unterstützen.

Inwieweit hat sich denn die Coronakrise auf Ihr Engagement ausgewirkt?
Leider hat die Krise eine deutliche Auswirkung auf unsere Arbeit bei »Sprache verbindet« gehabt. Wir mussten zunächst alle Treffen der Kinder mit ihren Paten aus Sicherheitsgründen absagen. Unsere heilpädagogische Mitarbeiterin, die das Projekt in den Grundschulen begleitet hat, musste in Kurzarbeit gehen. Wir haben sehr unter der Situation gelitten. Das Wissen, dass die förderbedürftigen Kinder in deren engen, häuslichen Verhältnissen ohne schulischen Input wochenlang klarkommen mussten, hat uns sehr traurig gemacht.

Haben Sie denn eine andere Möglichkeit gefunden, die Vereinsarbeit weiterzuführen?
Wir sind während der gesamten Zeit mit den Grundschulen in Kontakt geblieben und haben direkt nach den Osterferien damit angefangen, Remote-Treffen zwischen den Gymnasiasten und Grundschülern zu organisieren. Damit haben wir es geschafft, den Kontakt zwischen den Kindern und deren Paten aufrechtzuerhalten und den Kindern eine feste Struktur in dieser schwierigen Phase zu bieten.

Und wie schaffen Sie es, die Vereinsarbeit neben der Niederlassung zu stemmen?
Generell hat die Niederlassung in mir wahnsinnige Kräfte entfaltet. Ich konnte unmittelbar die positive Resonanz von Sachen sehen, für die ich mich eingesetzt habe, ohne Absprache mit dem Chef, Oberarzt oder der Verwaltung. Das war für mich, als würde eine Batterie aufgeladen werden. Diese Energie kann ich prima fürs Ehrenamt nutzen. Außerdem kann ich mir dann die freie Zeit von der Praxis nehmen, wenn ich sie brauche – zum Beispiel, wenn ich zu Sponsoren fahre, Schulen besuche oder Ausflüge mit den Paten mache. Das ist der Vorteil, wenn man sein eigener Chef ist.

Was ist denn das schönste Erlebnis, an das Sie sich in Ihrer ehrenamtlich tätigen Zeit erinnern können?
Eines der schönsten war tatsächlich bei »Sprache verbindet Essen«. Ich habe mit meinem Sohn Luis, der ebenfalls Projektpate ist, einen Pressetermin an der Schule seines Paten betreut. Als wir uns mit der Journalistin unterhalten hatten, kam sein Patenkind, begrüßte uns freundlich, und wandte sich dann komplett Luis zu – schließlich sei das grad seine Zeit mit ihm. Man muss sich vorstellen, viele dieser Kinder haben eigentlich niemanden, der sich wirklich Zeit für sie nimmt. Die Eltern schauen aufs Handy oder sind nicht da. Da genießen sie die Zeit mit den Jugendlichen einfach. Das hat der Kleine mit seinem Elan deutlich gemacht.

Generell glaube ich, dass es sehr wichtig ist, nicht nur auf uns zu schauen, sondern auch auf die Menschen um uns herum. Wenn man etwas vom eigenen Glück abgeben kann, wird es einfach größer. Die Freiheiten in seiner eigenen Praxis hat man dazu auf jeden Fall.

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