»Die Praxis ist der beste Ort für persönliche Entfaltung«
Eine eigene Praxis zu leiten bedeutet viel Verantwortung. Denn neben der Patientenversorgung ist auch die Teamführung deine Aufgabe. Coach Michaela Lückenotto gibt Tipps, wie Ärztinnen und Ärzte für ein gutes Arbeitsklima, eine effiziente Organisation und gesunde Hierarchien in der Praxis sorgen.
Lesedauer: 4 Minuten
Frau Lückenotto, wie sieht denn eine typische Hierarchie in einer Arztpraxis aus?
Die gibt es nicht. Das hat natürlich immer mit der Persönlichkeit des Inhabers zu tun, aber auch mit der Größe der Praxis oder der Fachrichtung. Ein Hausarzt hat vielleicht andere Kennzahlen als ein Orthopäde – daran orientiert sich auch die Struktur einer Praxis.
Warum ist eine gewisse Hierarchie aber unerlässlich im Praxisalltag?
Erstmal möchte ja jedes Teammitglied seinen Job gut machen, dafür braucht es Strukturen, an denen man sich orientieren kann. In einer Praxis gibt es mehrere Touchpoints: Da gibt es die medizinischen Arbeiten, den menschlichen Kontakt und Mischformen. Da muss optimal verteilt werden, wer hat den Hut auf im Labor, am Empfang, bei der Abrechnung. Da sind dann Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingesetzt, die ihre Stärken einbringen können. Wird die Patientin oder der Patient schon am Empfang gut informiert und vorbereitet, ist das auch für die anschließende Behandlung ein Erfolgsfaktor.
Gibt es innerhalb der Teams bestenfalls auch Hierarchien?
Ja, wenn jedes Team eine Leitung hat, die den Überblick behält, Feedback der Kolleginnen und Kollegen einholt und dieses an die anderen Teams und den Chef oder die Chefin weiterträgt. Jede Führungsperson kann eigene Teams leiten, Arbeitsabläufe hinterfragen und das dann in einer Art Co-Kreation mit den anderen Teamleiterinnen und Teamleitern regelmäßig besprechen.
Und mit der Praxisinhaberin oder dem -inhaber?
Ja, klar. Auch für die Ärztin oder den Arzt ist es doch ideal, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit eigenen Ideen aufwarten, sich selbst Gedanken machen. Jeder kann sich innerhalb seiner Ordnung frei entfalten, Vorschläge machen. Das sorgt im besten Fall auch dafür, dass nicht jede Kleinigkeit direkt nach ganz oben getragen wird, sondern zunächst im kleinen Team besprochen werden kann. Da sollte eine klare Hierarchie schon gelebt werden.
Also ist die Chefin oder der Chef kein Kumpel?
Die Rollen müssen klar verteilt und auch erklärt werden. Das heißt ja nicht, dass man sich nicht duzen kann oder einen freundschaftlichen Umgang pflegt. Aber gerade in einer Praxis sind Standards und Strukturen wichtig für den guten Ablauf. Dann sind nicht nur die Patientinnen und Patienten zufrieden, sondern auch das gesamte Team. Und diese festgelegten Abläufe müssen regelmäßig hinterfragt und kontrolliert werden. Nicht erst, wenn es stockt und Druck da ist, sich jemand beschwert oder die Praxis schlechte Bewertungen im Internet erhält. Ein regelmäßiger, wenn auch kurzer Austausch, ist entscheidend.
In der Klinik lernen junge Ärztinnen und Ärzte ganz klare straffe Hierarchien kennen – eine andere Welt im Vergleich zur Praxis, oder?
Ich kann nur sagen, dass es keinen besseren Ort gibt, sich persönlich und medizinisch weiterzuentwickeln als die eigene Niederlassung. Natürlich hat jede Entscheidung auch ganz persönliche Konsequenzen, aber daraus kann ich lernen. Wenn ich Eigenverantwortung mag und ein Unternehmergen in mir habe, ist die Praxis ein toller Ort, um sich eigene Strukturen, Abläufe und Hierarchien aufzubauen.
Gibt es Unterschiede zur Gemeinschaftspraxis?
Heute gibt es immer mehr große Praxen, mit drei, vier oder mehr Ärztinnen und Ärzten – das sieht man vor allem bei Fachpraxen. Auch hier ist eine klare Aufgabenverteilung, auch unter den Inhaberinnen und Inhabern, wichtig, sonst können die untereinander ausgespielt werden. Gemeinsame Werte, regelmäßige Treffen, auch mit externen Moderatoren, und eine gute Kommunikationskultur mit dem Team sorgen für einen effizienten und harmonischen Praxisalltag. Das wirkt sich nicht nur auf die Behandlungsqualität, sondern auch auf die Mitarbeitersuche aus. Eine gutes Arbeitsklima spricht sich schließlich schnell rum.