Machen Kleider Ärzte?
Angenommen, ein Arzt begrüßt seine Patienten in Jogginghose und Schlabberdress: Wäre das erlaubt? Wir haben einen Experten gefragt.
Bügelfaltenhose und Kasack oder Sporthose und Poloshirt: Was Ärztinnen und Ärzte bei der Arbeit tragen, variiert von Praxis zu Praxis. Dabei gehört der traditionelle weiße Langarmkittel längst nicht mehr zum Standard. Laut dem Leitfaden des Kompetenzzentrums Hygiene und Medizinprodukte ist kurzärmelige Kleidung aus hygienischen Gründen sogar zu bevorzugen (S. 47). »Beim klassischen Arztkittel kann es passieren, dass man mit den Ärmeln Keime verteilt. Daher hat er sich meiner Ansicht nach weitgehend überlebt«, sagt Dr. med. Günter Maurer, Vorsitzender der Hygienekommission der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg.
»Form folgt Funktion«
Im Leitfaden des Kompetenzzentrums sind vor allem drei grundlegende Hygieneanforderungen festgehalten: Bei der Arbeit ist saubere Arbeitskleidung zu tragen. Sie darf nicht mit Krankheitserregern verunreinigt sein. Und sie muss keimarm sein. Experten raten zudem zu hellen Farben, damit Kontaminationen sichtbar werden. »Die nächste Frage wäre dann natürlich, wie man diese grundlegenden Anforderungen erfüllen kann«, sagt Dr. Maurer. »Aus meiner Erfahrung würde ich sagen: Form folgt Funktion.« In Situationen, in denen Patienten untersucht und behandelt würden, müssten sich Ärzte natürlich an die hygienischen Richtlinien halten, erklärt der Chirurg. Aber beim Beratungsgespräch in einer anthroposophischen Arztpraxis zum Beispiel sei es völlig in Ordnung, einen Wollpullover zu tragen – so wie eine eher sportliche T-Shirt-Variante in der Sprechstunde einer Orthopädie- und Sportpraxis.
»Eine Jogginghose würde ich als grenzwertig empfinden«
Einen strengen Dresscode, eine Art Knigge-Einmaleins für die ärztliche Arbeitskleidung, gibt es zwar nicht. Doch darf ein Arzt Patienten in der Praxis auch in Jogginghose begrüßen? Oder verbieten der berufliche Status und der Respekt vor den Patienten den ärztlichen Schlabberlook? »Es gibt Limits«, sagt Dr. Maurer. »Ich würde mich der Seriosität der Aufgabe entsprechend kleiden. Das schließt nicht aus, dass man sich jung, sportlich und dynamisch anzieht. Eine Jogginghose würde ich aber als grenzwertig empfinden.«
Selbst trägt der Arzt bei der Arbeit in der Arkadenklinik, die Gemeinschaftspraxis und Klinik zugleich ist, eine weiße Hose und ein weißes Polohemd. Dass die Praxisklinik auf die klassische Kleidung verzichte, sei für die Patienten kein Problem, sagt Dr. Maurer: »Sie erkennen uns als zuständige Ärzte, auch ohne einen Statuskittel.«