Zwischen Bergluft und Behandlungszimmer
Dr. Markus Becker ist Inhaber einer hausärztlichen Praxis in Mülheim an der Ruhr und gleichzeitig als Sport-, Tauch-, Alpin- und Reisemediziner tätig. Diese Zusatzqualifikationen machen nicht nur seinen Praxisalltag abwechslungsreicher – sie haben ihn schon in weit entfernte Länder geführt.
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Dr. Becker, Sie sind nicht nur als Arzt in Ihrer Praxis, sondern waren auch schon als Expeditionsarzt tätig. Welche Reise ist Ihnen nachdrücklich in Erinnerung geblieben?
Ganz klar, eine Expedition in den Bergen – mein erster Achttausender, der Cho Oyu in Tibet. Das Land selbst ist absolut interessant, zumindest wenn man abseits der Touristenpfade unterwegs ist. Und einen Achttausender zu besteigen, ist natürlich auch ein sehr beeindruckendes Erlebnis. Außerdem war ich damals der einzige Arzt dort.
An welches Ereignis können Sie sich besonders gut erinnern?
Das war ein besonders kalter Tag mit Sturm und Schnee. Ein Bergsteiger lag mit einer Nierenkolik in seinem Zelt, was medizinisch ganz eigene Herausforderungen mit sich bringt, die bedacht werden müssen – etwa dann, wenn man Opiate spritzt, können diese eine Atemdepression auslösen. Und auf 5.000 Meter Höhe, wo das Basislager war, bekommt man ohnehin schon nicht gut Luft. Außerdem hatten wir einen Todesfall auf über 8.000 Metern und einen im Sterben liegenden Höhenkranken. Und den habe ich dann zusammen mit dem Bergführer zum nächsten Hochlager zurückgebracht.
Warum haben Sie sich generell dazu entschieden, zusätzlich zu Ihrer allgemeinmedizinischen Weiterbildung auch als Reise-, Tauch- und Alpinarzt zu arbeiten?
Ich habe mich relativ früh niedergelassen, mit 30 Jahren ungefähr. Und persönlich bin ich ein Mensch, der Abwechslung braucht. Da hat es sich sehr gut gefügt, dass die Allgemeinmedizin den einmaligen Vorteil bietet, dass man fächerübergreifend einiges, was einem unter Umständen auch privat Spaß macht, in die Arbeit einbauen kann, wodurch sie zusätzlich noch gewinnt.
Und mit welcher Qualifikation haben Sie begonnen?
Ich habe mich anfangs als Sportmediziner niedergelassen. Da ich selbst begeisterter Bergsteiger bin und mir Anfang der Neunzigerjahre die Ausbildung zum Alpinmediziner in Österreich angeboten wurde, habe ich das dann auch direkt gemacht. Damals war ich auch einer der ersten diplomierten Ärzte für Alpinmedizin in Deutschland. Dann kam noch die Tauchmedizin dazu – von der Höhe in die Tiefe sozusagen. Und zuletzt habe ich mich zum Reisemediziner ausbilden lassen.
Und wie binden Sie diese Tätigkeiten in Ihre Niederlassung mit ein?
Vormittags mache ich die ‚normale‘ Hausarztmedizin, auch in Altenheimen. Nachmittags biete ich tauchmedizinische Untersuchungen oder auch Reiseberatungen an. Hier gibt es erhebliche Unterschiede bei Patienten. Meine Nachmittagssprechstunde kontrastiert stark mit meiner Tätigkeit am Vormittag – und die Abwechslung macht den Unterschied.
Seit zehn Jahren habe ich außerdem eine Kooperation mit einer Höhenkammer in Essen, die Bergsteiger und Sportler trainiert. Ich übernehme den medizinischen Teil für diese Kammer. Das ist auch wieder sehr interessant, weil da alle möglichen Leute hinkommen, die sich auf Expeditionen vorbereiten. Ich kümmere mich dann zum Beispiel um die notwendigen Impfungen oder auch die Medikamentenausrüstung.
Was würden Sie Ärztinnen und Ärzten empfehlen, die zusätzlich zu ihrer Niederlassung auch in die Reise- und Alpinmedizin einsteigen wollen?
Man sollte sich als Ärztin oder Arzt wirklich gut überlegen, dass man das, was man kann oder wofür man brennt, irgendwann in seine Arbeit einbaut. Das ist sicherlich auch eine Typenfrage. Ich sage mal, es gibt Leute, die reden gerne über psychologische Dinge. Dann können sie beispielsweise eine Fortbildung für autogenes Training, progressive Muskelrelaxation oder für Psychotherapie machen. In meinem Fall waren Reisen, Bergsteigen und Tauchen ohnehin schon immer als Hobbys präsent. Deswegen habe ich das für mich eingebaut. Aber das muss jeder für sich selbst entscheiden.
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Das Redaktionsteam der Kassenärztlichen Bundesvereinigung
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) ist die Dachorganisation aller 17 Kassenärztlichen Vereinigungen und vertritt die Interessen von Vertragsärzt:innen und Psychotherapeut:innen auf Bundesebene. Auf »Lass dich nieder!« gibt das Redaktionsteam Medizinstudierenden nützliche Tipps rund ums Studium und teilt Erfahrungen und Fakten rund um die ärztliche Niederlassung.