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Praxis auf dem Land

Stethoskop trifft Dorfleben: Eine Ärztin gestaltet ihre Zukunft

Ärzt:innenmangel auf dem Land? Nicht mit Dr. Verena Gall. Vor vier Jahren eröffnete sie ihre Praxis in der rheinland-pfälzischen Gemeinde Mommenheim. Heute ist sie das medizinische Herz des 3000-Seelen-Ortes.

Ein Porträt von Dr. Verena Gall
Dr. Verena Gall ist nicht nur Inhaberin ihrer eigenen Praxis. Seit 2017 ist sie Lehrbeauftragte für das Zentrum für Geriatrie und Allgemeinmedizin der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz. ©Tanja Broy

Info für mich

Du hast Fragen rund um die Arbeit in der Niederlassung? Dr. Gall beantwortet sie dir gerne.

Lesedauer: 5 Minuten

»Auf dem Land macht man eine andere Medizin als in der Stadt«, erklärt Dr. Verena Gall. »Man löst viel mehr selbst, als dass man die Leute zu weit entfernten Fachärzt:innen schickt.« Bevor es für sie in die eigene Niederlassung ging, schloss Gall 2016 ihre Facharztausbildung für Innere und Allgemeinmedizin ab und arbeitete als angestellte Ärztin in ihrer ehemaligen Ausbildungspraxis in Flonheim. Der Wunsch nach einer eigenen Praxis war aber damals schon da. »Mir war nur wichtig, dass die Familienplanung vorher abgeschlossen ist«, betont sie. Mit der Geburt ihrer Zwillinge im Jahr 2018 war es dann so weit.

Von der Idee zur Eröffnung 

Die Suche nach einer geeigneten Immobilie, Termine mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) und den Banken – der Weg zur Praxis begann für Gall bereits in der Elternzeit. »Wir haben nachhaltig Eindruck hinterlassen, weil ich ständig mit Zwillingen stillend in jedem Gespräch stand«, erinnert sich die Ärztin lachend. »Als ich im August 2019 gerade die Zwillinge bei der Tagesmutter eingewöhnt habe, klingelte das Telefon. Frau Jordan von der KV Rheinland-Pfalz war dran und sagte: Frau Dr. Gall, die Bedarfsplanung ist durch. Es gibt voraussichtlich sieben neue Sitze für den Kreis Mainz-Bingen. Sie hatten doch Interesse?«

In diesem Moment wurde aus einem vagen Plan plötzlich konkrete Realität. »Ich stand im Garten der Tagesmutter und sagte sofort zu.« Dann nahm alles Fahrt auf: Am 1. Juli 2020 öffnete die Praxis in Mommenheim schließlich ihre Türen – mitten in der Corona-Pandemie. »Das war einerseits eine Zitterpartie, andererseits ein Glücksfall.« Ihr Mann konnte im Homeoffice den Umbau eng begleiten, während sie die Gründung vorantrieb.

Landärztin aus Überzeugung 

Landärztin zu sein bedeutet für Gall vor allem eines: »Nah an den Leuten sein zu wollen.« In einer 3000-Einwohner-Gemeinde kennt man sich, ist eingebunden ins Dorfleben. »Das muss man wollen«, betont sie. »Manche schreckt das ab, weil sie Angst haben, ständig belangt zu werden. Diese Erfahrung habe ich aber nicht gemacht.« Die Vorteile überwiegen für die Medizinerin klar: Sie kann flexibler arbeiten, Zeit für ihre Kinder einplanen und sich in Schule und Gemeinde engagieren. »Das sind Privilegien, die ich genießen kann, weil ich mir in meiner eigenen Praxis die Zeit dafür nehmen kann.«

Herausforderungen meistern 

Der Arbeitsalltag einer selbstständigen Landärztin ist dennoch herausfordernd. »Die Vorstellung, mit 30 Stunden eine Praxis zu führen, ist völlig utopisch«, gibt Gall zu. 50 bis 55 Stunden pro Woche seien realistisch. Delegieren lernen und sich Unterstützung holen sei wichtig. Auch emotional durchlaufe man als Praxisgründer:in ein Wechselbad der Gefühle. »Am Anfang wird man von der Euphorie getragen«, erinnert sich die Ärztin. »Aber irgendwann klappt mal was nicht, ein Patient ist verärgert oder man bekommt negative Rezensionen.« Die wichtigste Lektion? »Es lohnt sich, durchzuhalten. Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird.«

Rat an Nachwuchsmediziner:innen

Trotz aller Herausforderungen würde Dr. Gall den Schritt in die Selbstständigkeit jederzeit wieder wagen. Ihr Rat an Mediziner:innen, die mit dem Gedanken spielen: »Macht es einfach! Denkt nicht zu viel darüber nach, man findet immer 100.000 Hinderungsgründe.« Die Möglichkeit, selbst zu gestalten und Projekte voranzutreiben, mache süchtig. »Man ist ganz schnell an dem Punkt, wo man merkt, dass man gar nicht mehr zurück kann.«
 

 

Über die Autor:innen

Das Redaktionsteam der Kassenärztlichen Bundesvereinigung

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) ist die Dachorganisation aller 17 Kassenärztlichen Vereinigungen und vertritt die Interessen von Vertragsärzt:innen und Psychotherapeut:innen auf Bundesebene. Auf »Lass dich nieder!« gibt das Redaktionsteam Medizinstudierenden nützliche Tipps rund ums Studium und teilt Erfahrungen und Fakten rund um die ärztliche Niederlassung.

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